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Ungeplante Nichtverfügbarkeit

„Wie lang noch, bis diskutiert wird Zwentendorf doch noch aufzusperren?“, schreibe ich an einen Freund. Es ist Montagfrüh. Am Vorabend hat Energieministerin Leonore Gewessler angekündigt, dass das letzte Kohlekraftwerk Österreichs reaktiviert werde, um die Energiekrise zu meistern. Kaum habe ich meine Nachricht abgeschickt, höre ich ein Klicken. Die Kaffeemaschine hat sich abgeschaltet. Auch das Licht ist aus und die Zeitanzeige am Küchenradio schwarz. Ein Blick ins Stiegenhaus: Düsternis. Im Zählerkasten steht der FI-Schalter dort, wo er stehen soll. Also Stromausfall.
Ich setze mich wieder an den Küchentisch. Den Laptop klappe ich gleich mal zu, um Akku zu sparen. Ich denke an Marc Elsbergs „Blackout“, das ich vor ein paar Jahren gelesen habe (nie fertig geworden – wie endet das eigentlich?). Ich denke an meine Konserven und an mein Kurbelradio. Ich überlege, wie viele Kerzen ich habe und wie lang es dauert, bis das Tiefkühlfach zu tauen beginnt. Wie lang hält mein Handy-Akku? Wann habe ich die Powerbank zuletzt aufgeladen? Wann stehen die ersten Plünderer vor der Tür?
Am WC drücke ich ohne nachzudenken auf den Schalter. Dunkel. Also bleibt die Tür offen. Dann ein Blick aus dem Fenster: alles ruhig. #Stromausfall im zweiten Bezirk, weiß man da was @WienEnergie? #Blackout, lese ich auf meinem Handy (Akkustand: 76 %). Ich bin also nicht allein. Auf Twitter weiß Wien Energie allerdings nichts. Der Freund schickt mir den Link zum Störungsmelder des Energieunternehmens. Gerade als ich diesen anklicke, höre ich ein Geräusch aus der Küche. Der Kühlschrank ist angesprungen. Die Deckenlampe leuchtet, die Anzeige am Küchenradio blinkt. Während ich die Uhren stelle, merke ich: das waren jetzt gerade mal 40 Minuten. Immerhin eine Viertelstunde länger als laut Wien Energie die jährliche „ungeplante Nichtverfügbarkeit von Elektrizität pro KundIn im heimischen Stromnetz“ dauert.
(Wien/sl)

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